EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Pavlovs Hund und die Glocken

Vor dem Esszimmer meiner Schwiegereltern hängt ein Glöckchen, mit dem die Hausfrau ihre Lieben zum Mittagessen rief. Dafür gab es Lob, aber keinen Nobelpreis.

Pfarrer Dirk Küsgen ist Krankenhausseelsorger im Helios-Klinikum Schwelm

Auch im Hause Pavlov rief ein Glöckchen zum Essen - allerdings den Hund. Bald schon lief dem Tier das Wasser im Munde zusammen, wenn es nur ein Läuten hörte. Unter anderem weil es Herrchen noch schnell einfiel, dieses Phänomen im Uni-Dialekt "klassische Konditionierung" zu nennen, gab es hierfür einen Nobelpreis.

  

Spannender ist, was Menschen so mit Glockengeläut verbinden. Drei Alternativen machen den Unterschied.

1. Ist das Glockengeläut nächtliche Ruhestörung am späten Sonntagmorgen oder der Ruf zur wöchentlichen Fütterung mit Gottes Wort?  

2. War das Beerdigungsläuten in der letzten Woche die letzte Ehrung der Verstorbenen oder deren erste Begrüßung im Himmel?  

3. Scheppert der finale Gong zur letzten Runde des Kampfes der beiden bereits angezählten Volkskirchen gegen den Zeitgeist oder ertönt das erlösende Morgengeläut des doch noch kommenden Reiches Gottes als Freiheitsglocke? Dann käme sein Reich wirklich und es geschähe endlich sein Wille wie im Himmel, so auf Erden – ihm zum Lob und den Menschen zum Segen.

Alles Jenseitsvertröstung? Soll ich zum Arzt gehen, wenn ich solch eine Vision (Audition) habe?

Den Gebildeten unter den Verächtern der Religion sei ins Stammbuch geschrieben, dass der Über-Vater der Aufklärung, Immanuel Kant, zwar auf jeden herkömmlichen Gottesbeweis verzichtete, aber nicht auf Gott als höhere moralische Instanz. Weil unter den Menschen eben doch nicht, wie erhofft, die Vernunft regiert, benötigt die Welt Gott mehr als je zuvor. Seine Allmacht wehrt den frühkindlichen Allmachtphantasien der Diktatoren, seine zeitlos gültigen Gebote begrenzen, auch in Form von Menschenrechten, deren Willkür, und die Auferstehung ist Hoffnung, dass Mord und Totschlag nicht das letzte Wort behalten und die Opfer Gerechtigkeit erfahren.

Bei jeder Nachrichtensendung sollten wir, wenn es besonders schlimm wird, "Dein Reich komme. Dein Wille geschehe" beten. Und immer wenn diese Worte in einer Kirche gesprochen werden, bimmelt ein Küster oder eine Küsterin, ohne je für einen Nobelpreis nominiert worden zu sein. Da bleibt mir die Spucke weg und Pavlovs Hund wird in der Pfanne verrückt.

Pastor Dirk Küsgen