EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Gott ist uns nahe

Liebe Leserin, lieber Leser!

Mein heute 22jähriger Sohn kam als Vierjähriger einmal aus dem Kindergarten und erzählte ganz aufgeregt: „Mama, einmal ist Jesus überfallen worden. Da war er total schlimm verletzt. Er lag ganz lange alleine auf dem Weg. Und erst war keiner, der ihm geholfen hat. Nach einer langen Zeit kam dann aber einer, der ihn in ein Krankenhaus gebracht hat. Später ist Jesus dann aber doch gestorben. Da musst du aber nicht traurig sein, das ist nicht so schlimm, weil er ja an Weihnachten immer wieder geboren wird.“

Pfarrerin Anke Lublewski-Zienau ist Seelsorgerin an der Klinik Königsfeld

  

 

Ich stutzte und fragte mich, welche biblische Geschichte da wohl erzählt worden ist. In der Nacherzählung meines Sohnes kam ja auch noch Karfreitag und Weihnachten vor. Schließlich begriff ich, dass es sich um die Geschichte vom barmherzigen Samariter handelt, eines der bekanntesten biblischen Gleichnisse und das Evangelium für den morgigen Sonntag.

 

Ich habe diese Version nie vergessen, weil sie einen besonderen Blickwinkel hat. Sie ist aus der Sicht des Überfallenen gesehen: da liegt ein Mensch im Graben und braucht Hilfe. Er ist schwer verletzt worden, liegt dort einsam und ohne Aussicht auf Rettung. Wenn ich mich in diesen Verletzten hineinversetze, dann erkenne ich auch mich. Und auch Sie, liebe Leser. „Im Graben liegen“ - das ist ein Bild für eine Situation, die uns komplett hilflos macht. Solch eine Erfahrung, in der wir Hilfe brauchen, sie aber nicht nahen sehen, macht Angst.

 

Unser Schwerverletzter hörte plötzlich jemanden näherkommen. Vielleicht kam Hoffnung in ihm auf. Doch wie groß ist die Enttäuschung, als derjenige vorbeiging. Einfach so vorbeiging. Und das ganze Spiel noch einmal. Was er wohl fühlte als er den dritten kommen hörte? Allein aus Selbstschutz wird er nichts mehr gehofft haben. Aber der dritte bleibt stehen. Und nicht nur wie ein Schaulustiger nach einem Unfall, sensationsgierig. Nein, dieser Mann tut, was nötig ist: der Verletzte macht die Erfahrung, dass für ihn alles getan wird, was jetzt nötig ist: er bekommt eine erste Wundversorgung, wird zu einer Herberge transportiert, der Fremde bleibt in der Nacht bei ihm, weil er sich noch nicht selbst versorgen kann. Eine heilsame Erfahrung für Leib und Seele: er wird umsorgt, bis er seine Kräfte wieder gefunden hat.

 

Die Geschichte vom barmherzigen Samariter sagt uns deutlich, dass Gott uns nah ist, meist in anderen Menschen, manchmal durch Freunde und manchmal auch durch Fremde, die uns unerwartet zur Seite stehen. Und da komme ich wieder auf meinen Sohn zurück, der in diese Geschichte ja auch Karfreitag und Weihnachten gepackt hat. Da ist etwas dran, denn indem Gott selbst Mensch wurde und durch die tiefsten Tiefen ging, ist er uns Menschen ganz nah.

 

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Woche,

 

Ihre

 

 

 

Pfarrerin Anke Lublewski-Zienau,