EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Alternative Fakten

Seit Anfang der Woche ist es bekannt: “Alternative Fakten” ist das Unwort des Jahres 2017.

Pfarrer Uwe Hasenberg

Seit einem Jahr ist es in Gebrauch. Immer dann, wenn es darum geht, eine Lüge nicht beim Namen zu nennen. Im Gegensatz zu alternativen Fakten, die es nicht gibt, gibt es die Lüge sehr wohl. Auf die Frage, warum ein Mensch seinen Hund mehr liebt als seinen Nachbarn, lautet die Antwort oft: Weil der Hund nicht lügt. Die Fähigkeit zu lügen unterscheidet Menschen von Tieren. Aber sie zeichnet ihn nicht aus. Wie oft der Mensch täglich vor der Entscheidung steht, zu lügen oder nicht, entzieht sich meiner Kenntnis. “Schmeckt das, was ich gekocht habe?” - “Bin ich zu dick?” - “Hast Du heute Zeit?”

 

 

Wie ehrlich bin ich dann, wenn ich weiß, dass meine Antwort als persönliche Kränkung verstanden werden kann? Nicht alles wird als konstruktive Kritik aufgenommen. Im Blick auf meine Mitmenschen ist es ratsam, die Empfehlungen des Apostels Paulus zu beachten: “Die Erkenntnis bläht auf; aber die Liebe baut auf. (...) Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!” (1. Brief an die Korinther 8,1 + 16,14). Mein Vater pflegte manchmal auf die Frage meiner Mutter: “Schmeckt es Dir?”, zu antworten: “Ja, ganz gut. Aber das brauchst Du nicht wieder zu kochen.”

 

 

Das Kriterium der Liebe gilt auch für das 8. Gebot: “Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.” (2. Mose 20,16). Was als Verbot formuliert worden ist, wird in der Auslegung Martin Luthers im Kleinen Katechismus auch zu einem Gebot: “Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unsern Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder seinen Ruf verderben, sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum besten kehren.” Aus Liebe, durch Liebe und um der Liebe willen kann es geboten sein, Notlügen zuzulassen. Alternative Fakten sind aber keine Notlügen.

 

 

Gerne erinnere ich in diesem Zusammenhang an die Erzählung über “Drei Siebe”: Zu Sokrates kam einmal ein Mann und sagte: „Du, höre, ich muss dir etwas Wichtiges über deinen Freund erzählen!“ - „Warte ein bisschen,“ unterbrach ihn der Weise: „Hast du schon das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe hindurchgehen lassen?“ - „Welche drei Siebe?“ - „So höre gut zu! Das erste ist das Sieb der Wahrheit. Bist du überzeugt, ob alles, was du mir sagen willst, auch wahr ist?“ - „Das nicht, ich habe es nur von anderen gehört!“ - „Aber dann hast du es wohl durch das zweite Sieb hindurchgehen lassen? Es ist das Sieb der Güte.“ - Der Mann errötete und antwortete: „Ich muss gestehen, nein.“ „Und hast du an das dritte Sieb gedacht und dich gefragt, ob es nützlich sei, mir das von meinem Freund zu erzählen?“ - „Nützlich? - Eigentlich nicht.“ - „Siehst du“, sprach der Weise: „wenn das, was du mir erzählen willst, weder wahr, noch gut, noch nützlich ist, dann behalte es lieber für dich.“

 

 

Alternative Fakten werden schon nicht durch das erste Sieb kommen. Güte und Nützlichkeit sind Siebe der Liebe. Was hier nicht durchkommt, ist kein Versäumnis, sondern dient der Ehre Gottes und dem Wohl der Menschen. Und nun wünsche ich Ihnen nach dem Sieben und ganz ehrlich ein schönes Wochenende Ihr

 

Pastor Uwe Hasenberg, Gevelsberg.