EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Über das eigene Beten redet man nicht

"Über das eigene Beten redet man nicht, das ist intim" - so denken und reden die meisten Christinnen und Christen in unserem Land. Vielleicht schämt man sich auch, so konkret von seinem Glauben zu sprechen und will lieber Taten der Nächstenliebe sprechen lassen, weil das anerkannter und irgendwie unverfänglicher ist. Man überlässt das Reden über das Reden mit Gott den Superfrommen, mit denen man lieber nicht in einer Ecke stehen will. Kaum einer redet über sein Beten - aber die allermeisten Menschen in unserem Land haben schon einmal gebetet und viele, gerade auch junge Menschen, beten immer wieder oder sogar regelmäßig. Das ergeben die Umfragen zur Religiosität unserer Gesellschaft. Viele beten, aber nur wenige reden darüber. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Interesse am Beten, auch an dem Thema "Beten", sehr viel größer ist, als das tabuisierte Schweigen erahnen lässt.

Michael Mertins ist Pfarrer in den Kirchengemeinden Milspe und Rüggeberg

 

Ein Beispiel: Im letzten Jahr habe ich als Pfarrer in Paderborn neben meiner Gemeindearbeit noch Religionsunterricht in einer Berufsschule erteilt. In einer 11. Klasse behandelten wir gerade das Thema: "Unsere Wege zu einem glücklichen, sinnerfüllten Leben." Fast alle Schülerinnen und Schüler waren der Ansicht, am wichtigsten seien zuverlässige Freunde und Partner, Menschen, denen ich vertraue und die zu mir halten. Denn der echte Freund hört mir zu, ich kann ihm alles erzählen, er gibt mir guten Rat und lässt mich nicht allein. Das sei der Weg zum Lebensglück meinten die allermeisten. Gegen Ende der Stunde fragte ich sie, ob sie sich vorstellen könnten, dass der Glaube an Gott einen Menschen ebenso oder vielleicht noch besser zu einem glücklichen Leben verhelfen könne. "Nein", sagten sie, "Glaube ist ja nur Ansichtssache. Mit Gott kannst du ja nicht reden, wie mit einem Freund und Gott kann dir ja nicht antworten." Da holte ich tief Luft, sammelte all meinen Mut zusammen, brach das Tabu und bekannte offenherzig: "Gott ist für mich der beste Freund in meinem Leben, zuverlässiger als alle Freunde, weil er auch noch zu mir hielt, als mein Vertrauen in Menschen tief enttäuscht wurde." - "Glauben Sie das wirklich?", fragten einige Schüler und staunten. "Das sagen Sie ja nur, weil Sie Religionslehrer sind", meinte ein junger Mann keck. "Nein, ich bin Pfarrer und Religionslehrer geworden, weil ich das glaube", entgegnete ich. Die Schüler sahen sich erstaunt an. Einer preschte vor: "Ja, ja, und Gott redet dann zu Ihnen wie ein richtiger Freund, oder was, hä, hä, hä!" "Ja", sagte ich, "das tut er und er hört mir zu, wenn ich mit ihm rede." Schweigen in der Klasse. "Wie jetzt?" - der Schüler lachte und schüttelte den Kopf. Die anderen aber blieben ernst und wollten unbedingt mehr erfahren. Wieso ich meine, Gott höre mich real, wenn ich bete. Ich wollte das Gespräch darüber auf die nächste Woche verschieben, denn in 2 Minuten war die Stunde vorbei. "Egal" meinten sie, ich sollte jetzt erzählen. Also fing ich an - es klingelte - egal, ich musste weiter erzählen. Ich konnte die Schüler schließlich nur in den Rest der Pause schicken, weil ich ihnen versprechen musste, beim nächsten Mal weiter darüber Auskunft zu geben, wie mein merkwürdig konkreter Glaube funktioniere. Es wurde dann eine spannende und richtig gute Stunde. Der Bann war gebrochen und die Schüler trauten sich, von ihrer Erfahrung mit dem Beten zu erzählen, ihre Fragen und Anfragen ernsthafter zu stellen und mit den Mitschülern/innen offen zu debattieren, ob sich das Beten lohnt und welchen Sinn es für sie macht.

 

"Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mir wendet!" So bekennt der Beter in Psalm 66,20 seinen Glauben. Er ist gewiss, dass sein Gebet Gottes Ohr erreicht, weil Gott mit seiner Güte jeden Tag zu ihm hält. Das gibt ihm einen festen Standpunkt im Leben. So kann er sich in seinem Gott festmachen. Psalm 66,20 ist der Wochenspruch am Sonntag "Rogate" (das heißt: "betet!"), am 13. Mai 2007. Im Mai werden wieder in vielen Gemeinden junge Menschen ihre "Konfirmation" feiern. Das Wort kommt von dem Lateinischen "confirmare" und bedeutet "sich festmachen". Die Jugendlichen machen sich durch den Glauben, den sie bei ihrer Konfirmation bekennen, in Gott fest. Im Konfirmandenunterricht sind sie auskunftsfähig über ihren eigenen christlichen Glauben geworden. Sie haben gelernt und geübt, ihn mitteilen zu können. In ihrer Konfirmation bekennen sie ihre eigene Erwartung an Gott: Sie wollen von Gott für ihr Leben beschützt sein und ihm ihre Sachen sagen können. Das erklären mir die allermeisten Konfirmanden/innen eines jeden Jahrgangs immer wieder kurz vor der Konfirmation. Sie sagen es in ihren Worten, aber sie wollen diese lebensfrohe Erfahrung machen, die Gott als den lobt, der "mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet". Von den Konfirmanden/innen kann ich immer wieder lernen, offener über meine eigenen Erwartungen an Gott zu reden, offener über mein eigenes Beten zu reden.

 

Wenn ich meinen Glauben und mein Beten nicht nur eine Sache meines verborgenen Gefühls sein lasse, sondern immer wieder mit anderen darüber offen rede - wenn der Bann gebrochen wird, der auf diesem so intimen Thema liegt, dann kann ich die Erfahrung machen: Beten tut ja auch anderen Menschen gut, und es tut ihnen und mir selbst gut, darüber mal wieder zu sprechen. Das Interesse dazu ist tatsächlich verbreiterter als man meint. Nur trifft man es nicht in den öffentlichen Medien, sondern in den Herzen der allermeisten Menschen an. Und dann kann sich der eigene Glaube wieder festmachen, wird "konfirmiert" in diesem offenen Gespräch mit anderen. Er kann wieder "Konfirmation" feiern.

 

Ich wünsche Ihnen, dass Sie diesen Ihren Glauben auch in Ihrem Leben immer wieder feiern und fröhlich bekennen können.

 

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Pfr. Michael Mertins