EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Bleiben Sie bei sich

Schon als Kind amüsierte mich etwas. Die Eltern meiner Mitschülerin besaßen eine Reinigung. Irgendwann beschwerte sich eine Kundin, ein Fleck ginge trotz intensiven Waschenes nicht aus dem Kleid. Es stellte sich heraus, dass sie einen Fleck auf der Brille hatte.

Pfarrer Dirk Küsgen ist Krankenhausseelsorger im Helios-Klinikum Schwelm

   

 

Wer sich über andere ärgert, hat genau an dieser Stelle oft selbst einen blinden Fleck, den er oder sie nicht wahrnimmt. In der Seelsorge-Ausbildung wird daher Selbsterkenntnis groß geschrieben. Das soll dem vorbeugen, anderen eigene Macken anzudichten. Der häufigste Spruch unserer Trainer war "Bleiben Sie bei sich!". Also: Keine Ausflüchte, weil die anderen ...

 "Das mag ja sein, aber Sie können die anderen nicht ändern, sondern nur sich selbst. Bleiben Sie bei sich." Oh Mann, war das anstrengend!

Schon Adam gab Eva die Verantwortung. Eva beschuldigte die Schlange. Das Paradies retteten die Ausreden nicht. "Bleiben Sie bei sich!"

Wenn irgendwo etwas Schlimmes passiert und keiner greift ein, dann nützt es nichts, hinterher zu sagen, die anderen haben ja auch weggesehen. "Bleiben Sie bei sich"! Einer muss einen Zweiten anzusprechen und dann helfen immer mehr Menschen mit, alle gemeinsam.

Die immer noch evangelische Mehrheit im Stadtteil war fast nie im Gottesdienst. Als die Kirche geschlossen werden sollte, fürchteten einige, es ertöne bald der Muezzin vom Turm. Ich fragte sie, ob sie denn wüssten, warum (noch) die Glocken läuteten - Achselzucken, Ratlosigkeit. Die Glocken im Stadtteil riefen zum Gebet und zum Gottesdienst, ähnlich einem Muezzin. Wäre die Kirche wohl geschlossen worden, wenn die Besorgten zuhauf dem Geläut gefolgt wären? An unserer Glaubensmüdigkeit sind nicht andere Schuld. Bleiben wir zuerst bei uns! Und die höhere Geburtenrate muslimischer Familien ist auch nicht Ursache dafür, dass trotzdem insgesamt, muss man sagen, weniger Kinder geboren werden als Menschen versterben.

Und überhaupt, höre ich, die Kirche sei lahm und altmodisch. Haben Sie mal überlegt, wer denn "die Kirche" ist? "Bleiben Sie bei sich!" Pardon, was sage ich da? Die Kirche ist lebendiger und moderner als viele ihrer Kritiker.

Und da sind die, die nicht wählen gehen, weil die Politiker ja "alle gleich" sind. Warum engagieren diese Leute sich nicht wenigstens für eine parteilose Stadtteilinitiative? Wer ist der Staat, die Kirche, die anderen? Die Antwort kennen Sie. Bleiben wir also lieber bei uns!

Ihr Pastor Dirk Küsgen