EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Mit dem Tod umgehen lernen

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Blätter fallen. Die Natur fällt in Winterschlaf. Es ist ganz natürlich, dass sich auch bei uns Menschen Gedanken einstellen an die Vergänglichkeit der Zeit, an die Begrenztheit unseres Lebens, an den Tod. Gestern war Ewigkeitssonntag. Wir nennen ihn auch Totensonntag. An ihm gedenken wir der Verstorbenen in unserem Leben. Die Gedanken gehen zurück zu gemeinsam gelebter Zeit. Ewigkeitssonntag ist kein leichter Tag, aber es ist wichtig, all diesen Gedanken einmal Raum zu geben, denn es hilft, den Blick wieder nach vorne zu richten. Eine kleine Geschichte erzählt davon:

 

Pfarrerin Anke Lublewski-Zienau ist Seelsorgerin an der Klinik Königsfeld

  

 

Es ist ein herrlicher Sommertag. Eine junge Frau sitzt auf der Friedhofsbank und weint. Eben hat sie ein paar Blumen auf das Grab ihrer Mutter gelegt. Fünf Monate ist die Beerdigung her. Ein älterer Mann mit Stock fragt, ob er sich setzen darf. Er atmet schwer, weil er nicht lange gehen kann. Vor dreißig Jahren hat er seine Frau hier beerdigt, vor zehn Jahren seinen Sohn. Ein seltsames Paar im Schatten der alten Bäume. Plötzlich erzählt die junge Frau. Der Schmerz muss raus. Sie erzählt von ihrer Mutter. Und dass sie nicht zurechtkommt mit diesem Tod. Mutter war doch erst sechzig, sagt sie. Der Mann neben ihr hört zu. Sein Atem hat sich beruhigt. Jetzt schweigen beide. Dann erzählt der Mann von seiner Frau und seinem Sohn. Von Krankheit und wie hilflos man sein kann. Und warum Loslassen das Schwerste ist. Die Vögel zwitschern. Der Sommertag ist warm und friedlich, als gäbe es keinen Tod. Der Mann schaut vor sich hin. Die Frau weint nicht mehr. Plötzlich sagt der Mann: Ich habe einmal gelesen, dass es drei Dinge sind, die den Tod besiegen. Mut, Erinnerung, Liebe. Eins hatten wir heute. Sie schweigen, bis der Mann aufsteht, seine Krücke nimmt und die Frau mit einem kurzen Gruß verlässt. Die junge Frau bleibt noch. Sie denkt an die drei Dinge: Mut, Erinnerung, Liebe. Das mit dem Mut versteht sie nicht. Ihr fällt aber ein, was die Mutter manchmal gesagt hat, als sie schon wusste, dass sie sterben wird. Wer in der Liebe bleibt, hat die Mutter gesagt, bleibt in Gott. An der Hecke hinten sieht sie ihren Jungen, der auf sie zuläuft und sie abholen will. Sie lächelt.

   

Vielleicht können wir den Tod nicht wirklich „besiegen“. Aber Erinnerung, Mut und Liebe werden dabei helfen, mit ihm umzugehen. Die junge Frau wirkt nach dem Gespräch erleichtert und freut sich auf ihren Sohn. Diese Freude ist schon etwas von dem Mut, den sie erst nicht versteht. Mut, das zu lebende Leben mit Zuversicht zu leben. Ich wünsche allen, die es im Moment brauchen, weil Sie mit einem Verlust fertig werden müssen, dass Sie in Mut, Erinnerung und Liebe Kraft zur Bewältigung der Verluste finden.

 

Mit herzlichen Grüßen für eine gesegnete Woche,

 

Ihre Anke Lublewski-Zienau,