EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Laut und Leise

Frühling ist es, aber so einen Frühling haben wir schon lange nicht erlebt. Der Frühling ist, vor allem wenn er beginnt, eine Zeit der leichten Farben und der leisen Töne, wenn die ersten Blätter ihr zartes Grün zeigen, die Blüten sind nacheinander öffnen und die Vögel endlich wieder singen. Im krassen Gegensatz dazu stehen die Nachrichten aus aller Welt, die uns förmlich in den Ohren dröhnen. Die Katastrophe in Japan, ausgelöst durch eine Mischung von explodierender Natur und menschlicher Hybris, schreiende und jubelnde Massen in Nordafrika, das Dröhnen der Jagdbomber und das Kampfgetöse der Bodentruppen lassen uns nicht zur Ruhe kommen. „Leise“, nicht aktuelle Themen finden nicht nur in den Medien wenig Aufmerksamkeit.

Marianne Funde ist Pfarrerin im Frauenreferat des Evangelischen Kirchenkreises Schwelm

    

 

Auch als Privat-Menschen neigen wir dazu, uns mit „lauten“, angesagten Themen zu beschäftigen: neben dem, was die Medien diktieren, mit dem neuesten Klatsch und den größten Aufregern aus Freundeskreis und Nachbarschaft. Aber immer gibt es Menschen unter uns, die gerade etwas völlig anderes erleben und von vielen, vielleicht sogar von sich selber, nicht gehört werden. Die, die gerade ihren ganz persönlichen Absturz durchleben in der Beziehung oder auf der Arbeit, durch Krankheit oder Sorgen, erzählen dies nicht gerne herum. Auch manche gute Dinge werden nicht an die große Glocke gehängt: eine neue Liebe nach Trauer und Trennung oder Freude über kleine Alltagserfolge.  

Dabei verhelfen uns manchmal die leisen Töne zu den wichtigen Erfahrungen. In der Bibel gibt es dafür Geschichten, zum Bespiel vom Prophet Elias. Nachdem der mit viel Getöse seine Widersacher vernichtet hat und danach in den totalen Zusammenbruch stürzt, begegnet ihm Gott. Aber nicht, dass Gott ihm begegnet, ist das Entscheidende, sondern wie Gott ihm begegnet: mit einer vorsichtigen Berührung nach dem langen Schlaf der Erschöpfung, mit einem Krug Wasser in der Wüste und im Säuseln des Windes nach Sturm und Gewitter. Diese leise Begegnung verleiht Elias die Kraft, die er braucht, um weiterzugehen.

   

Ich bin überzeugt, auch die verzweifelten Menschen in Japan brauchen neben der tätigen Hilfe solche leisen behutsamen Berührungen, um in und nach dieser Katastrophe weiterzuleben. Und auch uns ist es möglich, die leisen Töne im Leben zu entdecken – Voraussetzung dafür ist: wir müssen unsere Ohren darauf einstellen, es ist unsere Entscheidung, wo wir hinhören möchten. Dann können wir inmitten von Trubel und Einsturzgeräuschen Neues erhören: alten Freunden neu begegnen, unbekannte Schwingungen in uns erspüren, unsere Seele öffnen für vielleicht schon lang ersehnte spirituelle Erfahrungen. Auch Kirchen bieten Ihnen einiges an leisen Tönen an: Gottesdienste, Taizégebete, meditative Angebote in der Fasten- oder Passionszeit.
Und noch etwas braucht es, wenn Sie selbst gehört werden möchten: Mut, sich einen Menschen zu suchen, der Ihnen zuhört. Zwei Dinge kann ich Ihnen versichern: es gibt diesen Menschen und - - - Gott hat gute Ohren!

 

Einen gtuen Frühling wünscht Ihnen

Marianne Funda