EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Seid barmherzig

Liebe Leserinnen und Leser!

 

Trotz des schönen Wetters: Es war ein trauriges Osterfest 2019. Auf Sri Lanka sterben mehr als dreihundert Menschen durch feigen Terror, der - nicht nur, aber auch - der dort lebenden christlichen Minderheit gilt. Auf Madeira verunglückt in der Karwoche ein Reisebus und reißt 29 Menschen in den Tod. Und in Paris brennt sechs Tage vor Ostern die weltberühmte Kathedrale Notre-Dame; Gott sei Dank sind hier keine Menschenleben zu beklagen.

Thomas Bracht ist Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Haßlinghausen-Herzkamp-Silschede und Synodalbeauftragter für Notfallseelsorge

  

Schatten des Todes und der Zerstörung haben sich über das Fest gelegt, das doch eigentlich das Leben feiert. Christinnen und Christen glauben und bekennen, dass mit der Auferstehung Jesu die Macht des Todes gebrochen ist. Wenn ausgerechnet zu Ostern der Tod auf so schreckliche Weise in unser Leben tritt, mag man daran zweifeln.

Zyniker sagen vielleicht: Die Osterbotschaft vom Sieg des Lebens über den Tod ist längst durch die Wirklichkeit unserer Welt widerlegt. Täglich hören wird in den Nachrichten von Gewalt und Hass. Wir sehen das Leid der Flüchtenden, das sich durch die Hartherzigkeit Europas verschärft. Es ist gut, dass wir der Opfer des islamistischen Hasses gedenken und für sie beten. Aber was ist eigentlich mit den Flüchtenden, die wegen einer unmenschlichen europäischen Flüchtlingspolitik auf dem Mittelmeer sterben? Sind wir wirklich noch das "christliche Abendland", als das wir uns doch so gern bezeichnen? Oder sind wir nicht vielmehr dabei, den Zynikern recht zu geben - ja, selbst zu Zynikern zu werden?

Ich verstehe die Osterbotschaft als einen Protestschrei gegen die scheinbare Allmacht des Todes. Mit der Auferweckung Jesu von den Toten sagt Gott, dass er ein Freund des Lebens ist. So ist die Osterbotschaft zugleich ein Aufruf an uns, uns für ein Leben aller Menschen in Würde und Freiheit einzusetzen.

Nach dem Brand von Notre-Dame war in vielen Kommentaren von der "(Wieder-)Auferstehung" der Kathedrale die Rede. Ob den Kommentatoren wohl bewusst war, dass sie eine österliche Vokabel benutzen? Nun, eigentlich ist das nicht so wichtig. Wichtiger ist etwas anderes: Die Zukunft des "christlichen Abendlandes" hängt nicht vom Wiederaufbau einer prächtigen Kathedrale ab, sondern davon, dass wir uns darauf besinnen, was das Wesen unserer christlichen Existenz ausmacht. Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin ohne Einschränkung dafür, dass Notre-Dame wieder aufgebaut wird. Aber ich sage auch: Es gibt Wichtigeres. Jesus Christus hat nicht gepredigt: "Baut schöne Kirchen!", sondern: "Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist" (Lukas 6, 36). Mit etwas mehr Barmherzigkeit können wir dazu beitragen, dass das Leben eine Chance behält.

   

Mit vielen nachösterlichen Grüßen

Thomas Bracht