Das alte Leben ist vorbei, und wir befinden uns vor dem 1. Advent erst einmal in einem Vakuum. Gott ist gegangen und hat die Toten mitgenommen. Nach dem Kirchenjahr ist Gott zur Zeit nicht "da". Ähnlich ungewisse Tage gibt es nur noch einmal im Jahr - zwischen Himmelfahrt und Pfingsten, zwischen dem "Abheben" Jesu Christi und dem Herabkommen des Heiligen Geists.
Die Methode, das Jahr nach dem Prinzip des Kirchenjahres einzuteilen, ist realitätsgerecht, demütig und weise. Um den dunkelsten Tag im Jahr herum wird das Kommen des Gottessohnes in den Untergrund des Lebens entdeckt, damit er dort zunächst unerkannt unter den anderen Menschen lebe. Sein Gekommensein wird man erst im Rückblick erkennen, an Ostern, wenn sich jeder fragt, woher denn auf einmal die neuen Blüten kommen. Dann wird Christus sichtbar von den Toten auferstehen, und die Menschen werden das neue Leben 40 Tage lang in seiner ganzen jungen Pracht genießen. Dann ist das Frische plötzlich weg, als sei es gen Himmel gefahren. Wie können Menschen, die gerade wieder angefangen haben zu leben, wirklich weiter leben? Sie werden an Pfingsten vom Herabkommen des himmlischen Geistes überwältigt und in das Leben im Sommer geschickt. Das wird jedoch einmal wieder zur Neige gehen. Es geht zu Ende. Der Kreis schließt sich. Wenn Gott geht, geht mit ihm auch das Leben. Wenn er kommt, erwacht der Mensch und blüht auf.
Leben ohne Gott gibt es nicht. Der Mensch bedenke daher: es ist absolut nicht selbstverständlich, dass Gott immer wieder Leben erneuert und neues Leben gibt. Wir wissen nicht, was kommt. Jeder kann es eine Woche lang für sich klären, dass Gott es ist, der zu ihm kommen sollte!
Pfarrer Dr. Rüdiger Siemoneit, Schwelm