EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Trost und Hoffnung

"Kannst du mir den mal von der Wand holen?" - das bittet mich Karin, eine junge Frau, die schon in der dritten Woche ziemlich elend in einem Zweibettzimmer eines der Krankenhäuser liegt, in denen ich als Seelsorgerin arbeite. Was sie meint, ist eindeutig: Ihr schräg gegenüber an der Wand hängt ein Kruzifix. Es ist deutlich mit dem Corpus des Gekreuzigten versehen. Ich bin so perplex, dass ich sofort tue, worum sie bittet - ohne lange zu überlegen. "Der weiß nämlich, wie das ist!" sagt sie und legt das Kruzifix liebevoll neben sich auf das Kopfende ihres Bettes.

Pfrn. Anne Braun-Schmitt

 

Karin lebt mit einer Behinderung: dem Down-Syndrom. Von ihr habe ich viel gelernt: Wie wichtig es einem kranken Menschen sein kann, dass Gott das Leid kennt, was es für ein Trost sein kann, dem leidenden Christus nahe zu sein, und was ein Symbol bewirken kann: der leidende Christus tröstet. Das habe ich noch nie so unmittelbar erlebt und ein für alle Male begriffen wie an diesem Morgen.

 

Sieben Wochen lang bedenken die Menschen in den christlichen Kirchen den Weg des Leidens Jesu. Das ist auch eine Erinnerung an seine Art, die Liebe Gottes auf die Erde zu bringen: seine Hinwendung zu den Menschen am Rand, den Ausgegrenzten, Kranken, Schwachen, Kindern, Frauen, Fremden. Er legte seine Finger auf die Wunden der Starken, war unbequem für die Vertreter der Jüdischen Regligion. Seinen Jüngern verbot er, sich zu bewaffnen, blieb wehrlos, als ihn die Mächtigen seiner Zeit in Haft nahmen, den Prozess machten und dem Tod übergaben. Noch am Kreuz hat er für seine Feinde gebetet. Und dann schien alles vorbei zu sein. Aber das war falsch. Es fing erst richtig an.

Die Menschen machten Erfahrungen mit dem Auferstandenen und begriffen: Gott hat ihn nicht im Tod gelassen!

Dass Christus von den Toten auferstanden ist, das war und ist eine Botschaft von lebensverändernder Kraft. Sie gibt Menschen Hoffnung inmitten von Zerstörung und Leid. "Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!" - dieser Ruf aus der Liturgie der Osternacht macht Mut, in Jesu Fußstapfen zu treten. Und ich glaube, das ist eine gute, eine menschliche Art, an der Auferstehung Christi teilzuhaben.

An der Auferstehung teilhaben bedeutet, im Sinne Jesu weiterzumachen - gegen alle Mächte, die dem Tod in die Hand arbeiten, die grenzenlose Liebe Gottes zu leben: Menschen von Hunger und Durst, Fremdsein und ungeschützter Nacktheit befreien, sie in Krankheit und beim Sterben begleiten , sie nicht in der Gefangenschaft zu vergessen - und so die Hoffnung hochzuhalten:

In Auschwitz, so erzählt Dorothee Sölle. gab es von September 1943 bis Juli 1944 ein Familienlager, in dem Kinder lebten, die aus Theresienstadt überführt waren. "In diesem Lager wurde, und jetzt kommt eine Auferstehungsgeschichte, in verschiedenen Formen Erziehung betrieben. Kinder, die bereits fürs Gas bestimmt waren, lernten Französisch, Mathematik, Musik. Die Erziehenden arbeiteten in vollem Bewußtsein der ausweglosen Situation... Selber vernichtet, lehrten sie das Nicht-Vernichten, das Leben. Selber entwürdigt, stellten sie die Würde des Menschen wieder her. Es mag einer sagen: "Es hat ihnen nichts genützt." Aber so sprechen die Heiden. Laßt uns lieber sagen, es macht einen Unterschied. Gott, laßt uns ganz diesseitig sagen, macht einen Unterschied." (aus: D.Sölle, Wählt das Leben, 135-136)

 

Eine gesegnete Osterzeit wünscht Ihnen

Ihre Anne Braun-Schmitt, Pfarrerin / Schwelm

Besinnung zu Karfreitag und Ostern 2007