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Vorbilder

Kennen Sie den Roman „Das Vorbild“ von Siegfried Lenz? Da treffen sich im November 1968 drei Schulbuchautoren in Hamburg, um das Kapitel „Lebensbilder – Vorbilder“ eines geplanten Lesebuches fertig zu stellen. Ein pensionierter Rektor, ein Provinzstudienrat und eine Rektorin überlegen in einer Pension, wer als Vorbild taugen könnte. An diesen Roman fühlte ich mich dieser Tage beim Blick in die Zeitungen erinnert.

Uwe Rahn ist Pfarrer in der Ev. Kirchengemeinde Schwelm

An Lena Meyer-Landrut kommt man nicht vorbei. Das war schon vor ihrem Sieg in Oslo so. Ihre Unbekümmertheit, ihre Spontaneität, ihre unverbrauchte, frische Art – es gibt viele Gründe, warum sie derzeit der Liebling (fast) aller Deutschen ist. Nicht nur der Jugendlichen. Im Gegensatz dazu Horst Köhler. Seinen Rücktritt als Bundespräsident begründet er mit der Respektlosigkeit vor dem Amt. Da hat jemand viel Kritik einstecken müssen, und nun reicht es ihm. Beliebt – unbeliebt, hochgejubelt – fallengelassen, „Hosianna“ und „Kreuziget ihn“, wie so oft liegt es ganz nah beieinander.

Lena Meyer-Landrut und Horst Köhler, beide haben an der Rolle des Vorbilds zu tragen. Die eine hat alle Erwartungen übertroffen und schwimmt (noch) auf der Woge der Sympathie, der andere ist an den Erwartungen gescheitert, die andere und er selbst an seine Person und sein Amt gestellt haben.

Welche Eigenschaften machen einen Menschen zum Vorbild? Gibt es überhaupt so etwas wie ein für alle Zeiten geltendes Vorbild?

Ja, heißt es im 1. Petrusbrief: Christus! Und er fordert uns auf, in seinen Fußstapfen zu gehen. Wodurch, fragen wir uns, zeichnet sich Jesus gegenüber anderen als Vorbild aus? Und wir lesen: dass er für andere gelitten hat, dass er keine Sünde beging, dass er nie log, schmähe, drohte…

Wer von uns könnte so sein?

In einem Vorbild muss ich mich wiederfinden. Deshalb taugen Helden nicht dazu. Sie schaffen eher Distanz. Nicht Jesu Heldenmut, nicht seine Wunder und auch nicht seine Leidensfähigkeit machen ihn für mich zum Vorbild, sondern seine Menschenfreundlichkeit, die niemanden ausschließt und keinen aufgibt, die sich über Konventionen hinwegsetzt und in der sich Gottes Liebe zu uns Menschen spiegelt. Vorbild ist er auch darin, dass er als angefochtener, leidender Mensch nicht das Vertrauen verliert in den, der „gerecht richtet“ (1 Petr 2,23).

Menschen, die etwas von diesem Vertrauen haben, können anderen zum Vorbild werden, auch wenn sie nicht frei sind von Widersprüchen. An der Person Dietrich Bonhoeffers wird dies deutlich: „Wer bin ich?“, schreibt er im Gefängnis. „Sie sagen mir, ich trüge die Tage des Unglücks gleichmütig, lächelnd und stolz, wie einer, der Siegen gewohnt ist. Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß? Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig… Wer ich auch bin. Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!“

Pfarrer Uwe Rahn