EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

„Auf den Spuren Martin Luthers“

Exzellente Studienfahrt zu Wirkungsstätten des Reformators

Im Augustinerkloster, in das Luther 1505 eingetreten war, hat die Studiengruppe gewohnt. (Foto: Matthias Kriese)

In der Luther-Stube auf der Wartburg hat der Reformator als Junker Jörg das Neue Testament übersetzt hat. (Foto: Reiner Jacob)

 

Ein Reisebericht von Heike Rudolph

 

Aus Hattingen, Schwelm, Ennepetal und Wuppertal kamen die 24 Teilnehmer/innen der Studienfahrt „Auf Luthers Spuren“, die Matthias Kriese, Bildungsreferent der Evangelischen Erwachsenenbildung Ennepe-Ruhr, und der Ennepetaler Pfarrer Armin Kunze, vorzüglich organisiert hatten. Die ausgewählten Orte Erfurt, Eisenach, Wittenberg und Eisleben stehen für Stätten, die für Leben und Wirken Martin Luthers von großer Bedeutung waren.

   

Erfurt

„Luther und mehr“ hätte das Thema des Aufenthaltes in Erfurt lauten können, lädt die Landeshauptstadt des Freistaates Thüringen doch durch ihre sprechende historische Architektur zur Rückbesinnung nicht nur auf das ausgehende Mittelalter ein.

Zu Luthers Zeit galt die verkehrsgünstig gelegene Stadt als Ort geistiger, politischer und wirtschaftlicher Neuorientierung. Dank einer brillanten Stadtführerin lernte die Gruppe die seinerzeit berühmte Alte Universität kennen, wo der spätere Reformator nach vier Studienjahren das Philosophische Grundstudium 1505 als Zweitbester abschloss.

Man erfuhr von den Bursen, frühen Wohnheimen der Studenten, die einen mehr als strengen Lehrplan zu absolvieren hatten. Erfurter Kirchen (Dom St. Marien, Severikirche, Predigerkirche als Wirkungsstätte des deutschen Mystikers Meister Eckhart) wurden aufgesucht und natürlich auch die Krämerbrücke, an der der Bettelmönch Luther Almosen gesammelt haben dürfte.

Luther rechtfertigte seinen Entschluss, kurz nach der Aufnahme des Jurastudiums Mönch werden zu wollen, mit dem bekannten Gewitter-Gelübde, doch scheinen - im Abstand der Jahrhunderte und auf der Grundlage intensiver Forschung - für diesen existenziellen Schritt heute auch ganz andere Deutungen möglich.

Im Augustinerkloster, in das Luther 1505 eingetreten war und in dem die Studiengruppe wohnte, gewann man im Anblick von Kapitelsaal und Lutherzelle einen tiefen Einblick in das einst strenge Klosterleben dieses Ordens. Hier musste man den jungen Mönch, der sich schon früh als theologischer Vordenker auszeichnete, übrigens von zu viel Eifer – auch beim Beichten – abhalten.

Abseits der Lutherspuren beeindruckten u.a. der zentrale Fischmarkt und die über 900 Jahre alte Synagoge, die nach einem Pogrom im Jahr 1349 nur wegen mehrfacher Umnutzungen der Zerstörung entgangen war.

Mit weltlichem Humor lauschte man den Ausführungen über Erfurt als Waidstadt. Hier durften die Waidballen verarbeitet werden, mit deren Hilfe sich Kleidung blau färben ließ. Da die Gärung der getrockneten Ballen mit Hilfe von Wasser und Urin geschah, lag einst ein bestialischer Gestank über den betroffenen Stadtvierteln. 

Wie man mit der Ausweisung eines Kolumbarienbereichs neue Formen bei der Kirchennutzung geht, zeigte die katholische Allerheiligenkirche auf. Obgleich 34 Kirchen und Kapellen zu Erfurt gehören, sind von den 200.000 Einwohnern nur 45.000 Christen, davon 30.000 evangelischen Glaubens.

   

Wittenberg

Gerade auch der Besuch der Luther-Stadt Wittenberg verdeutlichte, wie wichtig für Luther und die Reformation das neue geistige Klima seiner Zeit, ein loyaler Landesherr und überzeugte Wegbegleiter waren. Das waren, bei allen gravierenden Anfechtungen, denen er sich ausgesetzt sah, günstigere Bedingungen als für den Theologen Jan Hus, der 100 Jahre zuvor auf dem Konzil in Konstanz seiner reformatorischen Bestrebungen wegen  als Ketzer verbrannt worden war.

Mit der erst 1502 gegründeten Universität wurde Wittenberg für Studenten aus ganz Europa ein neues geistiges Zentrum. Hier studierte Luther von 1507 an Theologie, hier wurde er promoviert, hier erhielt er eine Professur. Er wurde zum Prediger berufen und zum Mitglied der Ordensleitung mit der Aufsicht über zahlreiche Klöster.

Die doppeltürmige Stadtkirche (mit Cranachaltar) und die Wittenberger Schlosskirche, an der Luther seine 95 Thesen angeschlagen hat, und in der er – vis-à-vis seinem geistigen Weggefährten Philipp Melanchthon - begraben liegt, sind wichtige Besuchsziele auch für Protestanten aus Skandinavien und Südosteuropa. Die Schlosskirche erfuhr unter der Herrschaft Preußens im 19. Jahrhundert grundlegende Umgestaltungen, um die Wirkmacht dieser Herrscherlinie nachhaltig zur Wirkung zu bringen.

Mit dem Anschlag seiner Thesen verfolgte Martin Luther nicht die Spaltung der Kirche. Sein Widerwille richtete sich in erster Linie gegen den Ablasshandel – für ihn reine Geschäftemacherei mit der tiefverwurzelten Angst der Gläubigen vor dem Fegefeuer. 

Lucas Cranach dem Älteren (1472-1553) verdankt die Welt nicht nur wesentliche Bildnisse des Reformators und seiner Frau. Welche Vielzahl an Talenten dieser Maler besaß, wurde recht eigentlich beim Besuch der Cranach-Höfe deutlich: Der Hofmaler Cranach unterhielt eine florierende Malschule, war Weinhändler, besaß eine stattliche Apotheke, wurde mehrfach zum Bürgermeister von Wittenberg gewählt und war steinreicher Immobilienbesitzer. Nicht nur Cranach, sondern zahlreiche Wittenberger Zeitgenossen verhalfen der Reformation in Bild und Druck oder durch Verlegertätigkeit zum Erfolg. Die Stadt Wittenberg hat ihre Namen und die anderer wichtiger Autoritäten an Schildern über Wohn- und Wirkungsstätten angebracht – eine eindrucksvolle Form der lesbaren Stadtgeschichte.  

Über wechselnde Lutherbilder im Wandel der Zeit (vom Holzschnitt bis zum Comic) informierte eine aufschlussreiche Ausstellung im Augusteum. Da wesentliche Exponate des Lutherhauses z.Z. durch Amerika touren und das Haus aufgefrischt wird, konnte man leider nicht sehen, in welchen Räumen Luther, seine Familie und die hier beheimateten Studenten gewohnt haben. Es berührte sehr, am Eingang zwei Steinsitze zu erblicken, auf denen das Ehepaar Luther/von Bora abends saß, um mit Blick auf die belebte Straße den Tag Revue passieren zu lassen.

Tief beeindruckt war man auch vom stimmungsvollen Melanchthon-Haus, ein wunderschönes Gebäude der Renaissance-Zeit mit seinen nahezu unverändert gebliebenen Räumen und einem bezaubernden Garten. Die Rolle des „Überfliegers“ Philipp Melanchthon (1497 bis 1560) für die Reformation ist kaum zu überschätzen. Dieser hochgebildete Mann, der schon 1518 in Wittenberg Professor wurde, war nicht nur enger Mitarbeiter Luthers, er zog als akademischer „Star“ auch Hunderte von Studenten nach Wittenberg, das damals nur 2500 Einwohner zählte. Dieser Humanist war ein früher Europäer und darf dank seiner Bedeutung für das Schul- und Universitätswesen als „Praeceptor Germaniae“ gelten.

  

 

Eisenach

Zur wechselvollen Geschichte der Wartburg gehört auch das Schicksal der Landgräfin Elisabeth. Dennoch dürften die meisten Gäste heute das UNESCO-Welterbe besuchen, um die Luther-Stube zu sehen, in der der Reformator als Junker Jörg das Neue Testament übersetzt hat. Nein, es gibt dort keinen berühmten Tintenklecks (mehr), und er wird auch nicht um der Besucher willen nachgemalt.

Auch wenn die Burg im 19. Jahrhundert unter Einbeziehung weniger erhaltener Teile neu aufgebaut und historisierend gestaltet wurde, bleibt sie doch jene Stätte, an der Luther Zuflucht fand und sein glaubensreformerisches Werk fortsetzen konnte.

Als Besucher fragt man sich an diesem besonderen Ort deutscher Geschichte unwillkürlich, welche Gedanken und Gefühle den damals bedrohten Mann bewegt haben könnten. Kraft dürfte ihm seine unerschütterliche Überzeugung gegeben haben, dass es richtig sei, das Verhältnis zwischen Gott und Mensch auf neue Füße zu stellen.  

Erkenntnisreich war auch der Besuch im Eisenacher Lutherhaus, wo man u.a. auch die hochmusikalische Seite des Reformators entdecken konnte, dem die Christenheit ergreifende Kirchenlieder verdankt.  

    

Eisleben

In Eisleben, seiner Geburtsstadt, in der Luther auf einer Dienstreise 63jährig auch verstarb, trat im Geburts-, wie auch im sogenannten Sterbehaus, die allzu menschliche Seite des Reformators deutlich hervor. Die Besucher aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis erfuhren, dass Luther, der eigentlich Luder hieß, im Lebensrückblick manches biographische Detail geschönt hat. So war er nicht armer Leute Kind, sondern Sohn vermögender Eltern. Der Vater hatte sich einen Namen im aufstrebenden Bergbaugeschäft und im Hüttenwesen gemacht und hätte eine weltliche Karriere für seinen Sohn bevorzugt.

Zum Ende seines Lebens litt Luther litt unter mancherlei  Krankheit. Den Tod vor Augen besprach er konsequent die letzten Dinge im Gebet mit Gott.

Der in durchweg exzellenten Führungen gespiegelte aktuelle Stand der Lutherforschung führte der Studiengruppe einen Menschen vor Augen, der die Impulse und Möglichkeiten einer sich ändernden Epoche wahrnahm und der als Christ befreiend modern dachte. Das bekannte Lutherbild wurde weiter ausdifferenziert, der Mensch Martin Luther wurde greifbarer mit seinen Selbstzweifeln, seinem Mut, seiner Fähigkeit zur Kommunikation und seiner ungeheuren Produktivität im Geistigen. Der Rat dieses Mannes als Streitschlichter wurde von höchsten Stellen erbeten. Luther selbst lehnte ein politisches Amt für sich ab und duldete auch kein überhöhtes Bild von sich.

Die in vielerlei Hinsicht sehr berührende Lutherreise hat die großen Verdienste Luthers auf den Punkt gebracht: Er bahnte den Gläubigen den direkten Weg zu Gott - eine unmittelbare, unverstellte und auf Vertrauen in Gott gegründete Beziehung, in der Geld, gute Taten oder Herkunft keine Rolle spielten, denn Gott war unbestechlich. 

Luther, der eine für alle verständliche deutsche Schriftsprache auf den Weg gebracht hat (ein grunddemokratischer Akt), rückte damit ab vom Bild eines Glaubens, in dem Gott strafen und zürnen konnte und in dem der Mensch letztlich immer ausgeliefert blieb - voller Angst, Druck und Zwang. Liebe sollte stattdessen das Verhältnis zwischen Gott und Mensch bestimmen, der nun eine eigene Verantwortung für sein Leben bekam. 

Mit dem Abschied aus Eisleben und der Fahrt nach Hause denkt man noch einmal daran, dass man schon während nur vier Tagen in Thüringen und Sachsen-Anhalt Gruppen aus Ungarn, Korea, Dänemark, den Niederlanden und den USA getroffen hat – alle, wie man selbst -, unterwegs auf Luthers Spuren. Im kommenden Jahr, wenn das 500jährige Jubiläum der Reformation gefeiert wird, werden noch viel mehr Christen aus aller Welt Luther die Ehre geben. Er selbst würde das am wenigsten wollen. Aber er konnte auch nicht wissen, dass er die Gesellschaft nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Teilen der Welt grundlegend und unumkehrbar verändern würde.