EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Man muss es selbst erlebt haben...

Landesjugendpfarrer Udo Bußmann stellte am 9. Oktober im Gemeindehaus Silschede die Ergebnisse der Jugendstudie "Jugendliche als Akteure im Verband" von Katrin Fauser, Arthur Fischer und Richard Münchmeier vor.

Kennzeichnend für die Studie, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Auftrag gegeben und von der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugend in Deutschland (AEJ) unterstützt wurde, ist die Methode der Subjektorientierten Forschung, d.h., die Jugendlichen wurden befragt, wie sie ihr Leben im Verband erleben.

Udo Bußmann ist seit 1998 Landesjugendpfarrer der Evangelischen Kirche von Westfalen.

    

10,1% aller Jugendlichen werden erreicht
"Wir waren sehr unsicher und gespannt, welche Ergebnisse die Studie liefern würde. Schließlich konnten wir nicht abschätzen, wie wir als Anbieter Evangelische Jugendarbeit von den Jugendlichen eingeschätzt und bewertet werden", gab Bußmann die Befindlichkeiten der Verantwortlichen der AEJ vor der Studie wieder. Umso erfreuter war Bußmann, als er die Ergebnisse las. 10,1% aller Jugendlichen in der Bundesrepublik Deutschland werden von den Anbietern Evangelischer Jugendarbeit erreicht. Davon sind im Westen 81% evangelisch, 11% katholisch, 2% muslimisch, 1% orthodox und 5% konfessionslos. Im Osten der Republik nehmen fast ausschließlich evangelische Jugendliche die Angebote Evangelischer Jugendarbeit wahr. "Die Evangelische Jugend darf sich nicht aus der Fläche verabschieden", resümierte Bußmann die Bestandsaufnahme und fügte hinzu: "Unser Augenmerk muss sich gerade auf die 5% konfessionslosen Jugendlichen richten. Sie sind potentielle neue Gemeindeglieder. Aus diesem Grund sollte in der Jugendarbeit das Thema Taufe eine große Rolle spielen." 

    

Vergesst die Werbezettel
Auf die Frage, wie sie Kontakt zur Evangelischen Jugend gefunden haben, gaben die Jugendlichen fast ausschließlich an, über Freunde und Familie den Weg in die Evangelische Jugend gefunden zu haben. "Vergesst die Werbezettel. Wir müssen vielmehr die jungen Leute befähigen, den Mund auf zu machen und einzuladen. Es geht darum, Jugendliche sprachfähig zu machen", forderte Bußmann angesichts dieses Ergebnisses. Mission heißt für Bußmann deshalb, neue Gesprächsgelegenheiten mit Freunden zu schaffen. Für ihn gilt hier besonders der Satz "Religiöses Wissen ist wichtig, aber ohne Lebensbezug belanglos." 

   

Motive
Die Motive, warum Jugendliche die Angebote der Evangelischen Jugend wahrnehmen, lassen sich laut Bußmann in drei Motivbündel zusammenfassen.
1. Die Jugendlichen wollen sich entwickeln, etwas für andere tun und sich mit religiösen Fragen beschäftigen. Das trifft vor allem für Jugendliche zu, die sich in Gruppen engagieren.
2. Jugendliche, die eher Offene Türen besuchen, gaben an, dass ihnen Spontaneität, situatives Handeln, außer Haus etwas zu unternehmen und das Bedürfnis, nichts zu verpassen, wichtig ist.
3. Übereinstimmend gaben die Jugendlichen an, dass ihnen der selbstbestimmte Zusammenhalt in der Gruppe (auch OT-Besucher verstehen sich als Teil einer Gruppe) wichtig ist. 

   

Wie evangelisch ist die Evangelische Jugend?
Udo Bußmann beschrieb die Ergebnisse der Studie auf diese Frage so: "In der Evangelischen Jugend treffen sich Menschen, die auf ihre Art und Weise in den Gruppen als Christinnen und Christen in Alltagsgemeinschaft auf Zeit leben wollen. Allerdings, so muss man die Ergebnisse interpretieren, haben sie nicht den Drang, dies von sich aus aktiv zu formulieren und demonstrativ nach außen zu leben. Enttäuscht werden aber alle, die meinen, Glaube müsse sich im expliziten Anderssein im Gegenüber zu dem Rest der Jugendlichen äußern.
Auch an dieser Stelle sind unsere Jugendlichen Kinder ihrer Zeit und verhalten sich ähnlich wie die Erwachsenen. Seit 250 Jahren gibt es nämlich eine so genannte "Entzweiung". In Folge der Aufklärung unterscheidet der Mensch zwischen dem, was die Tradition sagt, und dem, was man sich selbst daraus erarbeitet hat. Der neuzeitliche Mensch unterscheidet deshalb zwischen Kirche und Christentum. Die Kirche ist für die Tradition zuständig, das Subjekt selbst für sein Christentum. Nur letzteres wird - angesichts der Privatisierung und Intimisierung des Religiösen wenn überhaupt - mitgeteilt. Gesprochen darüber wird unter Freundinnen und Freunden, angeeignet wird der Glaube als Dimension der Verantwortlichkeit für sich und andere. Die meisten Menschen empfinden deshalb die Kirche als Gegenüber, das bestimmte, für die Lebenspraxis wichtige Dienstleistungen erbringt. Was die Jugendlichen von ihrer Kirche erwarten und was sie teilweise auch selbst einzubringen willens sind, wird deutlicher, wenn wir die Ergebnisse zu Funktion der Gruppenleitenden betrachten." 

   

Hauptamtliche als Disponenten
10% der befragten Jugendlichen gaben an, dass sie ein "Amt" innerhalb der Evangelischen Jugend bekleiden, also mitarbeiten. Davon erklärten 73%, dass sie eine Gruppe leiten und 27%, dass sie mit Hilfsdiensten betraut sind. Alle sind von anderen Mitarbeitern gefragt worden, ob sie mitarbeiten wollen.
"Für die anderen Jugendlichen sind die Menschen mit einem Amt oder einer Aufgabe pauschal die "Älteren", also auf jeden Fall "älter als ich selber" und damit sind sie nicht mehr Freund oder Freundin. Genau deshalb sind sie auch nur begrenzt Ansprechpartner und kaum Vertrauenspersonen für Gespräche über Alltagsprobleme.", führte Bußmann aus. Jugendliche würden ihre Dinge untereinander regeln. Sie würden sich aber an Älteren orientieren und sie als Vorbilder nehmen. Bußmann weiter: "Speziell die Hauptamtlichen werden als Bindeglied zwischen dem Jugendverband und der "Erwachsenenkirche" gesehen. Sie sollen anregen und motivieren, Ressourcen gewinnen und bereitstellen, ausbilden und begleiten. Sie sind Beratende, Begleitende, Anleitende, Anwälte, Moderierende, Türöffnende und Ähnliches. Sie sind keine "Macher", sondern "Ermöglicher" von Jugendarbeit, Münchmeier nannte in einem Vortrag in Villigst das Wort "Disponenten".  

  

Jugendarbeit ist entwicklungsfähig
Abschließend erklärte Bußmann, dass die Studie deutlich zeige, dass Evangelische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen erfolgreich sei. Das hieße aber nicht, dass sie nicht auch Entwicklungspotentiale enthalte. Bußmann nannte hier u.a. die Konfirmandenarbeit: "Wenn christlicher Glaube weder "Wissen" noch "Moral" ist, sondern eine Lebenshaltung - und unsere Jugendlichen scheinen das so zu verstehen - dann ist ein "Wachsen gegen den Trend" nur dann möglich, wenn die Bedarfe der Kinder und Jugendlichen ernst genommen werden. Die Konfirmandenarbeit könnte als Jugendarbeit solch ein Ort sein und damit eine große Chance darstellen, Bindung herzustellen. Dabei ist allerdings der Anspruch, den Jugendlichen die Tradition als Tradition zu vermitteln, eine große Herausforderung. Erfolgreich ist KA nur, wenn die Teilnehmenden sich als Gruppe empfinden und die Themen handlungsorientierend so dargeboten werden, dass die Jugendlichen sie als Themen ihres Lebens in der Gegenwart oder in der Zukunft begreifen."
Vor allem aber sei Jugendarbeit  weiterhin der Ort der Selbstbildung, der durch die Themen gefüllt wird, die die Jugendlichen selbst einbringen. (HB)